Wenn alte Hunde komisch werden
Hunde sind in der heutigen Zeit oftmals fest in der Familie verankert. Sie werden bewusst ernährt, umfangreich gepflegt und intensiv veterinärmedizinisch betreut. Dies führt zu einer längeren Lebensdauer. Als Alterskrankheit kann Demenz auftreten.
In Gedenken an Bonnie (* November 1999, † 30. Dezember 2015)
Hunde Demenz
Hunde Demenz

Wann ist ein Hund alt?

Das durchschnittliche Lebensalter ist abhängig von der Körpergröße des erwachsenen Hundes (durch die Rasse bestimmt):

  • kleinere Hunde: 15-16 Jahre
  • mittelgroße und große Hunde: 10 bis 13 Jahren
  • sehr große Hunde: 7 bis 8 Jahre

Ein Hund ist als alt einzustufen, wenn ca. zwei Drittel seiner zu erwartenden Lebensdauer hinter ihm liegen.

Häufig wird der Begriff „Menschenjahre“ verwendet, um das Alter eines Hundes zu beschreiben. Die Beziehung zwischen Hunde- und Menschenjahren ist nicht linear. Die gängigen Umrechnungsfaktoren berücksichtigen außerdem nicht die Erwachsenengröße des Hundes. Als grobe Orientierung können folgende Werte dienen:

Lebensjahr des HundesEntsprechung zu Menschenjahren
Erstes10 bis 15
Zweites3 bis 8
Jedes weitere4 bis 5

Welche Folgen hat der physiologische Alterungsprozess?

Altern ist ein physiologischer Prozess. Er beginnt bei der Geburt und ist über viele Jahre nicht spürbar. Im fortgeschrittenen Stadium führt der Prozess zu Funktionseinbußen von Organen. In erster Linie sind die Sinnesorgane, die Muskulatur und die Gelenke betroffen. Es kommt zu altersbedingten Beeinträchtigungen, z.B. Nachlassen des Sehvermögens, Schwerhörigkeit, Gelenkprobleme, verminderte Leistungsfähigkeit. Als altersbedingte Erkrankungen sind Arthrose, Diabetes, Inkontinenz, Katarakt, Leber-, Nieren- und Herzinsuffizienz, Senilität, Prostatahyperplasie sowie Tumoren von Bedeutung.

Was ist Demenz?

Demenz beschreibt einen Zustand fortschreitenden Hirnabbaus. Es kommt beim Hund zu Veränderungen im Bewusstsein, Defiziten in Lernen und Gedächtnis und verminderte Reaktion auf Reize. Im Mittelpunkt des Befundes stehen kognitive Funktionen. Kognitionen sind Informationsverarbeitungsprozesse, in denen Neues gelernt und Wissen verarbeitet wird. Auch Hunde haben kognitive Fähigkeiten, wie etwa verstandesmäßigem Erkennen, Lernen, Abwägen, Urteilen und Denken.auch von Kongnitiver Dysfunktion (CD), englisch Canine Cognitive Dysfunction (CCD) gesprochen.

Die genaue Ursache für Demenz beim Hund ist unbekannt. Durch in Zusammenhang mit dem Alterungsprozess auftretenden physikalischen und chemischen Veränderungen des Gehirns kommt es zu dessen Funktionsstörungen.

  • Reduktion der Gehirnmasse
  • vergrößerte Hirnventrikel (mit Hirnwasser gefüllte Hohlräume)
  • Verkalkung der Meningen (Hirnhäute)
  • Entmarkung der Nervenfasern (Demyelinisation)
  • Reduzierung der Anzahl der Neuronen
  • vermehrte Ansammlung diffuser Beta-Amyloid-Plaques mit perivaskulären Infiltraten
  • verminderte Produktion des Neurotransmitters Dopamin durch die Nervenzellen des Gehirns

Welche Symptome können bei Demenz auftreten?

In den meisten Fällen entwickeln sich die Symptome allmählich und werden im Laufe der Zeit schlimmer. Die unten aufgeführten Symptome können möglicherweise jedoch auch durch andere Erkrankungen hervorgerufen werden. Es hat in der Praxis sich bewährt, die auffälligen Verhaltensweisen sowie Häufigkeit und Dauer des Auftretens zu erfassen. Das Protokoll ist bezüglich Anamnese eine wertvolle Hilfe für ihren Tierarzt.


Die klinischen Anzeichen eines kognitiven Rückgangs werden durch das Akronym DISHA umschrieben.

  • Desorientierung/Verwirrtheit (Unruhe, Vergesslichkeit, eingeschränkte Lernfähigkeit, gestörte Wahrnehmung, Ängstlichkeit)
  • Veränderte Interaktionen des Hundes mit Menschen oder andere Haustiere (vermehrte Aufmerksamkeit oder Desinteresse)
  • Änderungen im Schlaf-Wach-Zyklus (vermehrte Schläfrigkeit tagsüber, nächtliche Unruhe)
  • Unsauberkeit des Hundes im Haus (Harn- und Kotabsatz)
  • Veränderung der Aktivität des Hundes (zunächst vermindert, dann erhöht)

Wie kann die Erkrankung diagnostiziert werden?

Der Tierarzt erfragt zunächst im Gespräch mit dem Hundehalter die Vorgeschichte (Anamnese) der Krankheit. Dies sollte sehr gründlich (Dauer ca. 1 Stunde) geschehen. Im Anschluss erfolgt eine körperliche Untersuchung des Hundes zur Beurteilung dessen allgemeinen Gesundheitszustandes. Vor der Diagnose Demenz müssen alle anderen in Frage kommenden Ursachen ausgeschlossen werden. Es können Blutuntersuchungen, Röntgen, Ultraschall und Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT) erforderlich sein. Differentialdiagnostisch kommen Erkrankungen der Augen und Ohren, endokrine Störungen, Schilddrüsendysfunktionen, Harnwegsinfektionen, Herz-Kreislauf-Probleme, neurologische Ursachen, chronische Schmerzzustände des Bewegungsapparates und Verhaltensauffälligkeiten in Betracht.

Wie sieht die Therapie bei Demenz aus?

Demenz ist eine fortschreitende degenerative Erkrankung. Eine Heilung ist nicht möglich. Der Krankheitsverlauf kann jedoch verlangsamt werden. Neben der lebenslangen medikamentösen Therapie haben bestimmte Nutrazeutika (Kofferwort aus “Nahrung” – englisch “Nutrition” – und “Pharmazeutika”) einen positiven Effekt. Durch bestimmte Management-Maßnahmen kann die Bewältigung von alltäglichen Situationen durch den Hund erleichtert werden. Auch ein abwechslungsreicher Hundealltag mit Spielen, Nasenarbeit, Training und anderen den Geist fit haltenden Aktivitäten kann die Geschwindigkeit des Fortschreitens der Erkrankung reduzieren. Eine diesbezügliche tägliche Routine kann den “kognitiven Verfall” des Hundes drosseln. Der Erfolg der Therapie wird durch den Tierarzt in regelmäßigen Abständen überprüft und gegebenenfalls angepasst. Bei stabilen Patienten sind – falls keine neuen Probleme entstehen – zweimal jährliche Kontrolluntersuchungen ausreichend.

Arzneimittel (in Deutschland für Hunde zugelassen)

NameWirkstoffWirkungsweise
AniprylSelegilinVerhinderung des Abbaus von Dopamin im Gehirn
KarsivanPropentofyllinFörderung der Durchblutung im zerebralen und peripheren Bereich
AdaptilDog Appeasing Pheromon (DAP)Verminderung von Angst

Nutrazeutika (engl. Nutriceuticals)

  • Phosphatidylserin
  • Coenzym 10
  • Mittelkettige Triglyceride (MCTs)
  • Omega-3-Fettsäuren
  • Melatonin
  • Huperzin A
  • Carotinoide und Flavonoide
  • Resveratrol
  • L-Carnitin
  • S-Adenosylmethionin (SAMe)

Vitamine: B, Folsäure, C, D, E
Mineralstoffe und Spurenelemente: Kupfer, Magnesium, Selen, Zink

Heilpflanzen

  • Gotu kola (Centella asiatica)
  • Japanischer Staudenknöterich (Reynoutria japonica)
  • Ginseng (Panax ginseng)
  • Bärlappgewächsen (Huperzia selago, Huperzia serrata)

Kommerzielle(s) Diätfutter und Nahrungsergänzungsmittel

  • Hill’s Prescription Diet Canine b/d
  • PURINA PRO PLAN Adult 7
  • Ceva Animal Health Logic Senilife Dog
  • Novifit (Virbac)
  • Denosyl (Nutramax Laboratories)
  • Denamarin (Nutramax Laboratories)

Management-Maßnahmen

  • artgerechte, gesunde Ernährung (BARF, Selbstgekochtes)
  • Verhinderung von Übergewicht durch adäquate Ernährung
  • regelmäßige Zahnpflege
  • Entwickeln einer täglichen Routine für Fütterung, Bewegung und andere Aktivitäten
  • Vermeiden von Veränderung des Lebensumfeldes des Hundes (z.B. Aufenthaltsbereich des Hundes, Wohnungseinrichtung, Streckenführung beim Spaziergang)
  • Beibringen von Tricks (Übungsanleitungen)
  • Wiederholung des bereits Erlernten in regelmäßigen Abständen (langsam und geduldig, positive Verstärkung mit schmackhaften Leckerlies, kurze Übungszeit – Pause – kurze Übungszeit)
  • Beschäftigung des Hundes mit Motivations- und Denkspielzeug
  • Verbringen von viel Zeit mit dem Hund zur Stärkung der sozialen Bindung
  • Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit geben