Gesundheit beginnt bei den Zähnen
Rund 80 Prozent aller Hunde über drei Jahre weisen Symptome von Parodontalerkrankungen auf. Mögliche Folgen sind chronische Maulhöhlenerkrankungen oder Schäden an Herz, Nieren und Gelenken. Dieser Beitrag möchte alle Hundehalter motivieren, der Zahngesundheit ihres Windhundes mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Zahngesundheit bei Hunden

  1. Wie ist das Gebiss des Hundes beschaffen?
  2. Wie entsteht der Zahnstein beim Hund?
  3. Warum geht der Zahnstein in der Regel mit einer Zahnfleischentzündung (Paradontitis) einher?
  4. Welche Auswirkungen hat die Paradontitis auf den Organismus des Hundes?
  5. Woran erkennt der Tierhalter bzw. der Tierarzt eine Erkrankung der Zähne und des Zahnfleisches?
  6. Welche Behandlungsmaßnahmen führt der Tierarzt durch?
  7. Wie kann Zahnstein und Paradontitis beim Hund vermieden werden?

1. Wie ist das Gebiss des Hundes beschaffen?

Das Gebiss des Hundes weist 42 Zähne auf, davon 20 im Oberkiefer und 22 im Unterkiefer. In jeder Kieferhälfte befinden sich drei Schneidezähne, ein Fangzahn und vier Prämolaren (P1 – 4). Im Oberkiefer stehen zwei, im Unterkiefer drei Molaren (M1-3). Im Oberkiefer ist der P4, im Unterkiefer der M1 besonders kräftig ausgeprägt. Diese Zähne liegen ähnlich den Branchen einer Schere aneinander und ermöglichen das Zerreißen (Reißzähne). Bei den Windhunden sind die Zähne in Reih und Glied angeordnet. Das Querstehen einzelner Zähne wird durch einen verkürzten Gesichtschädel (Brachycephalie) hervorgerufen. Bei den brachycephalen Hunden steht der schmalere Unterkiefer weiter vorne (Vorbiss) und die Eckzähne sind nach außen gerichtet. Das Gebiss ist häufig nicht vollständig ausgeprägt.

Die Zähne stecken in Zahnfächern (Alveolen). Sie werden durch das Parodont fest im Kiefer verankert. Zum Zahnhalteapparat gehören das Zahnfleisch (Gingiva), der Knochen, die Zahnwurzelhaut sowie der die Zahnwurzel bedeckende Zement. Der sichtbare Teil des Parodonts ist die Gingiva. Die freie Gingiva ist der kronenseitige Rand des Zahnfleisches ohne direkte Anheftung am Alveolarknochen. Sie liegt dem Zahnhals dicht an. Zwischen Zahn und freier Gingiva findet sich eine Furche (Sulkus), die beim Hund normalerweise ca. 2 Millimeter tief ist.

2. Wie entsteht der Zahnstein beim Hund?

Innerhalb kurzer Zeit nach der Reinigung bildet sich auf dem sauberen Zahn ein Überzug aus Speichel (Zahnpellikel). Auf diesem bis zu 1 μm dicken Film siedeln sich zunächst Bakterien (u.a. Streptokokken, Staphylokokken und Actinomyces) an, welche die Erstbesiedlung des Zahnpellikels erlaubende Haftmechanismen ausgebildet haben. Die Pionierbakterien bieten den nachfolgenden Bakterienspezies eine ausreichend Haftungsgrundlage bieten. Es entstehen Mikrobenkolonien, die gegen Desinfektionsmittel (für die Maulhöhle) und Antibiotika geschützt ist. In tieferen Schichten ist der Sauerstoffpartialdruck gering. Dort vermehren sich Bakterien (z. B. Fusobakterien, Bacteroides und Spirochäten), welche durch einen besonderen Mechanismus das Parodont gravierend schädigen können. Die Plaque wächst. Es kommt zur Ausfällung von Mineralien und damit zur Bildung von Zahnstein. Er bietet die Grundlage für eine noch bessere Haftung der Beläge am Zahn.

3. Warum geht der Zahnstein in der Regel mit einer Zahnfleischentzündung (Paradontitis) einher?

Die Parodontitis ist die entzündliche Zerstörung des Zahnhalteapparates (Parodont). Die Initialisierung erfolgt durch eine Mengenverschiebung von den „guten“ zu den „bösen“ Keimen in der Maulhöhle des Hundes. Die Anheftung des Zahnfleisches an der Krone wird durch wird durch bakterielle Schadstoffe, wie Kollagenase und Hyaluronidase, gestört. Aus dem physiologischen Zahnsulkus entsteht eine pathologische parodontale Tasche. Weitere Schadstoffe, u.a. Schwefelwasserstoff, Indol und Skatol, entstehen. Der Hund weist einen unangenehmen Geruch aus der Maulhöhle auf. Die mineralisierten Zahnbelägen (Konkremente) weisen eine dunkle Farbe auf. Der Prozess verlagert sich in subgingivale Bereiche. Der paradontale Faserapparat wird durch die Bakterien geschädigt. Es kommt zur Wassereinlagerung (Ödematisierung) in das Gewebe. Die Blutungsneigung ist gesteigert. Im Gegensatz zu einer Zahnfleischentzündung (Gingivitis) sind die bei einer Parodontitis entstandenen Schäden nicht umkehrbar!

4. Welche Auswirkungen hat die Paradontitis auf den Organismus des Hundes?

Eine Paradontitis führt beim Hund ohne tierärztliche Behandlung zu einer Lockerung von Zähnen sowie deren Verlust. Ein gravierendes Ereignis ist der Übertritt von Bakterien in die Blutbahn (Bakteriämie). Diese gelangen über das Gefäßsystem zu anderen Organen. Bei den meisten Hunden mit einer über mehrere Jahre fortwährenden Herzerkrankung sind auch die Funktionen von Organen beeinträchtigt. Pathologische Veränderungen treten am häufigsten in Leber, Nieren und Herz auf. Der schleichende Charakter dieser Veränderungen trägt dazu bei, dass der Rückschluss auf die Ursache häufig ausbleibt.

Gesicherte Zusammenhänge zwischen Paradontitis und Organerkrankungen beim Hund:

  • Niere: glomeruläre/interstitielle Veränderungen mit Verdickung des Mesangiums/lymphoplasmazellulärer Entzündung
  • Leber: parenchymale multifokale Entzündungen
  • Herz: Degeneration des Myocards (6-fach höheres Endokarditisrisiko bei hochgradiger Parodontitis)

5. Woran erkennt der Tierhalter bzw. der Tierarzt eine Erkrankung der Zähne und des Zahnfleisches?

In der Maulhöhle sind Zahnbeläge bzw. Zahnstein und Zahnfleischentzündung zu erkennen. Die Zähne sind verfärbt und in fortgeschrittenem Stadium mit Konkrementen (dunkelbraune Auflagerungen) versehen. Das Zahnfleisch ist mehr oder weniger stark gerötet und weist eine erhöhte Blutungsneigung auf. Die Paradontitis selbst spielt sich im Verborgenen ab. Der Hund riecht – im Gegensatz zu einem gesunden Tier – aus dem Maul. Maulgeruch kann jedoch auch bei Leber- und Nierenerkrankungen auftreten. Hinzu kommen unspezifische Symptome, wie Husten und schnelle Ermüdung. Verminderter Appetit, Bewegungsunlust, reduzierte Kontaktaufnahme zu Artgenossen und Tierhalter, aggressive Verhaltensweisen und verstärkte Lautäußerungen deuten auf das Auftreten von Zahnschmerzen hin.

Der Tierarzt erhebt folgende Befunde:

  • visuelle Beurteilung
    • Plaque-Index
    • Zahnstein-Index
    • Gingivitis-Index
  • Taschenmessung
    • Furkations-Index
  • Röntgenaufnahmen
    • Abbau von Alveolarknochen
  • Lockerungsgrad

Für alle der aufgeführten Parameter gibt es eine standardisierte Bewertungsmatrix.

Entsprechend dem Untersuchungsbefund lässt sich für jeden einzelnen Zahn ein verschiedenes Stadium der Paradontitis festlegen:

  • 0 = keine
  • 1 = geringgradige (ggr.)
  • 2 = mittelgradige (mgr.)
  • 3 = hochgradige (hgr.)

Ein Beispiel aus der Praxis: Foxterrier (Drahthaar), 6 Jahre, Erstvorstellung

Gebiss vor der Sanierung
  • Plaque-Index: 2 = mgr. Plaque als mäßige Plaqueschicht im Sulkus
  • Zahnstein-Index: 2 = mgr. supragingivaler Zahnstein oder subgingivaler Zahnstein
  • Gingivitis-Index: 2 = mgr. Rötung, mgr. Ödematisierung, Blutung auf Sondierung
  • Furkations-Index: 1 = Sonde ertastet Furkation, Defekt < 1/3 Wurzelbreite
  • Abbau von Alveolarknochen: 1 = Osteolyse > 25 % der Wurzellänge
  • Lockerungsgrad: 1 = ggr. Mobilität, spürbar beweglich

ErgebnisGesamt: 1,5

6. Welche Behandlungsmaßnahmen führt der Tierarzt durch?

Die tierärztliche Parodontalbehandlung umfasst:

  1. Entfernung von weichen und mineralisierten Belägen an Zahnkrone und -wurzel mit Scaler, Kürette, Zahnsteinzange oder Ultraschall-Reinigung und Glättung von Wurzeloberflächen mit rotierendem Polierkelch oder Bürstchen (über Hand- oder Winkelstück der Dentaleinheit) unter Verwendung vom Polierpaste
  2. Desinfizierender Spülungen der Maulhöhle (z. B. mit Chlorhexidin)
  3. Härtung des Zahnschmelzes mittels fluoridhaltigem Gel
  4. Therapie mit Antibiotika nach erfolgter mikrobiologischer Untersuchung einschließlich Antibiogramm (für die Flora der Maulhöhle besonders geeignet: Amoxicillin/Clavulansäure, Spiramycin/Metronidazol, Clindamycin, Marbofloxacin und Doxyzyklin)

Der Hund muss zur Durchführung der genannten Maßnahmen (auch für bestimmte Untersuchungen) sediert werden. Vorab ist die Beurteilung der Narkosefähigkeit erforderlich.

Chirurgische Wiederherstellungsverfahren, wie Gingivektomie oder Transpositionslappen (Flaps), sollten nur durch einen zahnheilkundlich versierten Tierarzt (z.B. mit Zusatzbezeichnung Zahnheilkunde) durchgeführt werden lassen.

Reinigung der Zähne mit einem Ultraschallscaler als ein Schritt der Behandlung

7. Wie kann Zahnstein und Paradontitis beim Hund vermieden werden?

Als prophylaktische Maßnahmen stehen zur Verfügung:

Verbesserung der Fütterung

Es ist nicht entscheidend, ob es sich um Feucht- oder Trockenfutter handelt. Je mehr gekaut werden muss, umso besser werden die „aktiven“ Zahnflächen gereinigt. Um einen selbsttätigen Zahnreinigungseffekt während des Kauvorgangs zu fördern, ist die Struktur des Futtermittels so auszurichten, dass die Kauaktivität generell angeregt wird. Es sollten zähe, strukturierte, nicht klebrige oder harte, abrasive Futtermittel verabreicht werden. Die Futterbrocken müssen außerdem eine ausreichende Größe aufweisen. Zu kleine Futterbrocken werden einfach abgeschluckt. Beim Zerteilen und Kauen soll es zu engem Kontakt von aktiven Zahnflächen zum Futtermittel kommen, um weiche Plaque wischend und reibend mechanisch zu entfernen. Liegt bereits eine Parodontitis vor, muss diese zunächst professionell durch den Tierarzt behandelt werden. Harte Zahnbeläge können durch häusliche Maßnahmen nicht entfernt werden. Um einer neuerlichen Zahnsteinbildung vorzubeugen, werden in Dentalfuttermitteln Polyphosphate als „Kalziumfalle“ eingesetzt. Diese Polyphosphate fangen das im Speichel vorhandene Kalzium ab, das zur Zahnsteinbildung dann nicht mehr zur Verfügung steht.

Zähne putzen

Zähneputzen ist das Mittel der Wahl zur Vermeidung parodontaler Erkrankungen. Auch die bei der Futteraufnahme nicht aktiv in diese Zerteil- und Mahlvorgänge einbezogene Zahnflächen, wie enge Zahnzwischenräume, werden so in ausreichendem Maße gereinigt. Der Beginn der Zahnpflege sollte bereits im Welpenalter liegen, um im gesunden Gebiss zu starten und die Entstehung einer Parodontitis zu vermeiden. Wie häufig letztlich geputzt werden sollte, richtet sich individuell nach den Erfordernissen des einzelnen Tieres. Im Handel werden Zahnbürsten und -pasten für alle Größen und Geschmäcker sowie spezielle Zahnpflegeprodukte angeboten.