Ein Fallbeispiel aus der tierärztlichen Praxis

Norwegen

Patientin:

  • Name: Numa
  • Rasse: Whippet
  • Geschlecht: Weiblich
  • Geburtsdatum: 20. Februar 2009

Die Hündin wurde am 11. Mai 2020 aufgrund einer Umfangsvermehrung im hinteren Drittel der linken Milchleiste in der Tierarztpraxis vorgestellt.

Die Halterin berichtete, dass die Größe der Umfangsvermehrung sichtbar schwankt. Deren Umfang nimmt mitunter täglich ab und wieder zu. Neben der Haut an der Stelle der Umfangsvermehrung sind manchmal auch die Ohrmuscheln gerötet. Hinzu kommt eine Schwellung des Kopfes. Deutlich sichtbar sind die verdickten Augenlider. An manchen Tagen sind laute Geräusche aus dem Magen hörbar. Es klingt so, als würde verstärkt Magensaft gebildet. Es gibt auch Phasen, an denen Numa kaum etwas frisst. Der Vorbericht der Besitzerin liefert bereits Hinweise auf das Vorliegen eines Mastzellentumors. Als Differentialdiagnose käme ein Lipom oder Mammatumor in Betracht.

Die Ursache für die Größenänderung ist die Degranulation der Mastzellen. Dabei werden z. B. Histamin und Heparin in den Blutkreislauf freigesetzt. Die Stoffe können Magen- und Darmgeschwüre, Blutungen, lokale Schwellungen und Rötungen, Juckreiz hervorrufen. Diese Effekte können durch den Einsatz von Antihistaminika reduziert oder verhindert werden. H1-Rezeptor-Antagonisten sind Wirkstoffe, welche die Effekte des von den Mastzellen freigesetzten Histamin aufheben. Die Wirkstoffe der H2-Rezeptor-Antagonisten hemmen die Sekretion der Magensäure.

Neben der körperlichen Untersuchung von Numa wurde als Diagnostik durchgeführt:

  • Blutuntersuchung (Blutbild, chemische Parameter)
  • Sonografie (Milz, Leber, abdominale Lymphknoten)

Mastzellentumoren können in den für den Tumorbereich zuständigen (tributären) Lymphknoten sowie in Leber, Milz und Knochenmark metastasieren. Metastasen in Herz und Lunge sind so gut wie nie anzutreffen. Entsprechende Röntgenaufnahmen sind deswegen nicht erforderlich. 

Die chirurgische Entfernung ist die Behandlung der Wahl bei einem Mastzelltumor. Diese wurde auch bei Numa durchgeführt. Mastzelltumore neigen zu einem invasiven Wachstum in das Nachbargewebe. Daher wurde neben dem Mastzellentumor auch ca. 2 cm des gesund erscheinenden Gewebes entfernt.  

In Vorbereitung auf chirurgische Entfernung wurde in den Tumor jeweils am 6., 4. und 2. Tag vor der Operation 5 mg Methylprednisolon in das Lumen des Mastzellentumors injiziert. Dadurch verringerten sich die Ausmaße des Tumors (L x B) von 5 x 1,5 cm auf 1 x 0,5 cm. Prednisolon reduziert durch seine zytotoxische Wirkung die Anzahl der Mastzellen im Mastzelltumor deutlich. Bei der Anwendung von kurz wirksamen Glukokortikoiden, wie Prednisolon, werden beim Hund weniger Nebenwirkungen, wie erhöhte Urinproduktion, vermehrtes Trinken und ausgeprägtes Hungergefühl, beobachtet.

Nach der Operation wurde eine Gewebeprobe zur histologischen Untersuchung in ein Labor eingesandt.

Die histologische Diagnose lautete Mastzellentumor mit

  • Grad II nach Patnaik: gut bis mäßig differenziert

entsprechend

  • Low-grade nach Kiupel: geringe Anzahl oder fehlende mitotische Figuren und wenige Kernveränderungen

Eine Tumorzelle ist umso bösartiger, je mehr sie ausdifferenziert ist. Bei Numa kann sich der Mastzellentumor extrem variabel verhalten, von einem lokalen benignen Prozess bis zu einem potentiell metastatischen fatalem Geschehen.

Die histologische Untersuchung ergab auch, dass die Abgrenzung des Mastzellentumors zum gesunden Gewebe nicht in allen Bereichen pathophysiologisch sichtbar war.

Aufgrund der „unsauberen“ Resektion des Mastzellentumors wurde nach der Wundheilung eine adjuvante Strahlentherapie durchgeführt.  Mit einem 100kV Orthovolt-Röntgentherapiegerät wurde das Gewebe an der Lokalisation des Mastzellentumors an 12 aufeinanderfolgenden Tagen mit 4 Gy (Energiedosis) bestrahlt.

Die Orthospannungsröntgenstrahlen durchdringen das Gewebe bis zu einer nützlichen Tiefe von etwa 4-6 cm. Sie eignen sich daher für die Behandlung von Haut und oberflächlichen Gewebe. Es handelt sich im Vergleich zur Megavoltbestrahlung um eine nebenwirkungsarme und kostengünstige Therapiemethode. Bei kurativer Bestrahlung mikroskopischer Reste von Mastzellentumoren des Grades 1 und 2 Mastzelltumoren ist der erkrankte Hund in der Regel als geheilt anzusehen.

Bis zum heutigem Tag ist bei Numa der Mastzellentumor nicht wieder aufgetreten.